Energie-Transformation zentrales Thema bei der ChemDelta-Summer-Lounge
(27.07.2022)
Grünen-Fraktionsvorsitzender MdL Hartmann zu Gast in der Villa Sell
Burghausen. Sind die Grünen nun in der Realität angekommen, wie es ChemDelta-Sprecher Dr. Bernhard Langhammer formulierte? Oder waren sie dieser lange Zeit einfach voraus, wie Ludwig Hartmann lächelnd konterte? Was diesen Punkt angeht, waren sich der ChemDelta-Sprecher und der Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion auch nach der „Summer-Lounge“ nicht ganz einig. Anders als mitunter in früheren Zeiten aber überwogen am Ende die Gemeinsamkeiten und einigenden Zielsetzungen. So betonten beide Seiten, dass die anstehenden Herausforderungen nur von Politik und Industrie gemeinsam bewältigt werden können.
Knapp 60 Gäste waren der Einladung der Initiative ChemDelta Bavaria in die Villa Sell der Wacker Chemie gefolgt, um sich in lockerer Runde auszutauschen, Kontakte zu pflegen und Impulse aufzunehmen. Letztere kamen dieses Jahr von Gastredner Ludwig Hartmann. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende beschäftigte sich vorrangig mit der derzeit drängendsten Problematik der chemischen Industrie: der Energieversorgung, deren Sicherheit, Stabilität, Kosten und, von zentraler Bedeutung, deren Transformation hin zur Klimaneutralität.
Nicht erst seit Beginn des Ukrainekriegs und dessen Auswirkungen auf die Energiepreise stehen im Bayerischen Chemiedreieck die Zeichen auf grundlegenden Wandel. Es gilt, die energieintensive, bislang vorrangig auf fossilen Grundlagen basierende chemische Industrie umzustellen auf CO2-neutrale Alternativen, allen voran auf „grünen“ Wasserstoff. Die Bereitschaft dazu ist seitens der Unternehmen gegeben, doch sehen sie sich mit enormen Herausforderungen konfrontiert, etwa der Frage, wie der künftige Wasserstoff- und Strombedarf gedeckt werden kann, noch dazu zu weltmarktfähigen Preisen.
„Wir leben in einer dramatischen Wendezeit“, sagte Dr. Christian Hartel vor diesem Hintergrund in seinen einführenden Worten. Mit Blick auf die aktuelle Lage befand der Wacker-CEO und Vorstandsvorsitzende der Bayerischen Chemieverbände, dass man von konkurrenzfähigen Strompreisen derzeit weit entfernt sei – und das um den Faktor 10. Notwendig seien – mit Blick etwa auf China und die USA – maximal vier Cent pro Kilowattstunde, Realität hingegen 40 Cent.
Die Chemieunternehmen, gerade im ChemDelta, hätten die richtigen Antworten auf die Frage, wie die Energietransformation gelingen kann, stellte Hartel klar, sie hätten „eine gute Mannschaft und eine hohe Innovationskraft“, die passenden Projekte nicht nur für die eigene Branche, sondern fürs ganze Land. Doch müssten dafür auch die Voraussetzungen erfüllt werden, allen voran der massive Ausbau der erneuerbaren Energien, dazu eine leistungsfähige Infrastruktur, sei bei Stromnetzen, einer Wasserstoffpipeline oder dem Bahnausbau. Die Energiewende sei kein technisches Problem, stellte Christian Hartel fest. Sie sei auch kein finanzielles, sondern vielmehr ein regulatorisches Problem, begleitet von langwierigen und überholten Genehmigungsprozessen.
In dasselbe Horn stieß Ludwig Hartmann. Das regulatorische Denken hierzulande sei „antiquiert“ und „nicht auf die heutige Energiesituation angepasst“, pflichtete der Grünen-Abgeordnete dem Wacker-Vorstandsvorsitzenden bei. Es brauche neue Denkansätze. Warum etwa Unternehmen, die in Windkraftanlagen investieren und sich damit direkt selbst versorgen, nicht spürbar von Abgaben entlasten, lautete einer von Hartmanns Vorschlägen. Schließlich würden diese Unternehmen nicht nur Arbeitsplätze und Standorte sichern, sondern auch noch die öffentlichen Netze entlasten.
Für den Abgeordneten ist klar: „Die Zeit des ganz günstigen Gaspreises wird nicht zurückkommen.“ Und doch: Bei aller Einzelfallhärte, die es abzufedern gelte, bringe der Preisanstieg auch etwas Positives mit sich: Er beschleunige den Weg hin zu den erneuerbaren Energien. Dort gebe es zwei Gewinner: Wind und Sonnenenergie. Sie seien frei von begrenzenden Hindernissen – „um Sonnenenergie muss niemand Krieg führen, sie ist überall vorhanden“ – und die damit verbundenen Erzeugungskosten seien in den vergangenen Jahren spürbar gesunken. Der Wasserkraft hingegen bescheinigte er ein stark begrenztes Ausbaupotenzial. Hinzu komme eine sinkende Verlässlichkeit aufgrund der zunehmenden Wetterextreme.
Keine Zukunft, auch nicht übergangsweise, sieht Hartmann für die Kernkraft. Nicht nur, dass das benötigte Uran derzeit noch weitgehend aus Russland und benachbarten Staaten komme, die durch eine Laufzeitverlängerung gewonnene Energie mache zudem nur rund ein Prozent des Endenergiebedarfs aus. Hinzu käme, dass aufwändige Sicherheitsüberprüfungen nachgeholt werden müssten. Und zuletzt helfe die Kernkraft nur bei der Stromproduktion, nicht aber bei der im Winter bedeutenderen Wärmegenerierung. Dann lieber Kohlekraftwerke übergangsweise weiterbetreiben, schließlich könne bei denen auch die Abwärme genutzt werden, so der Rat des Politikers.
ChemDelta-Sprecher Dr. Bernhard Langhammer hingegen sieht in einer übergangsweisen Weiternutzung der vor der Abschaltung stehenden Kernkraftwerke durchaus einen Nutzen. Bis das „grüne Zeitalter“ inklusive Speichermöglichkeit wirklich praktikabel sei, sollten Grundlastkraftwerke weiter genutzt werden, sagte er.
ChemDelta-Lenkungskreisvorsitzender Dr. Peter von Zumbusch, der wie Bernhard Langhammer zuvor bei der Mitgliederversammlung der Initiative für weitere zwei Jahre in seinem Amt bestätigt worden war, betonte in seinen abschließenden Worten die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Industrie und Kommunalpolitik. Eines stehe für ihn zudem unzweifelhaft fest, so der Wacker-Werkleiter stellvertretend für die chemische Industrie und mit Blick auf die Energiewende weiter: „Wir sind Teil der Lösung und ohne uns gibt es keine Lösung.“