40 Windräder: Im Bayerischen Chemiedreieck bei Burghausen könnte Deutschlands größtes Onshore-Windprojekt entstehen

(14.12.2022)

Bayerische Staatsregierung beabsichtigt damit einen Teil des Energiebedarfs der Chemieindustrie rund um Burghausen zu decken – Aber: Zunächst Windmessungen notwendig, um möglichen Standort im Staatsforst auf seine Eignung zu prüfen – Kostenschätzung wären 240 Mio. Euro

München/Burghausen. „Zentrale Stellschraube, um die Energieversorgung Bayerns mittel- bis langfristig zu sichern, die ambitionierten bayerischen Klimaschutzziele zu erreichen und die Wirtschaft mit grünem Strom bei der Dekarbonisierung zu unterstützen ist der beschleunigte Ausbau aller Erneuerbaren Energien im Freistaat“, so die Staatsregierung nach ihrer gestrigen Kabinettssitzung in München. Mit der damit einhergehenden Forcierung der Windenergie rückt nun auch das Bayerische Chemiedreieck in den Fokus: Für die auf verlässliche und bezahlbare Energie angewiesene Chemieindustrie könnte im 5.000 Hektar umfassenden Staatsforst zwischen Burghausen und Marktl ein Windpark mit bis zu 40 Windenergieanlagen entstehen – das wäre das größte Onshore-Windprojekt in Deutschland. Die ersten Schätzungen gehen von einem Investitionsvolumen von rund 240 Millionen Euro aus.  

Wie die bayerische Staatsregierung aus ihrer Kabinettssitzung vom 13. Dezember 2022 verlauten ließ, solle der gigantische Windpark im Staatsforst bei Burghausen idealerweise 500 Gigawattstunden elektrischen Strom pro Jahr erzeugen, um einen Teil des Strombedarfs der energieintensiven Industriebetriebe im so genannten ChemDelta Bavaria decken zu helfen. Durch den Bau von bis zu 40 Windrädern wäre laut ersten Schätzungen die regionale Erzeugung von bis zu zehn Prozent des derzeitigen Jahresstrombedarfs im ChemDelta Bavaria möglich.

Chemiedreieck benötigt über 5 Terrawattstunden Strom pro Jahr
Mehr als fünf Terawattstunden Strom (davon wurden 3,8 Terawattstunden von extern bezogen), dazu ein ähnlich hoher Bedarf an Erdgas – mit diesen Jahresverbräuchen zählt das Bayerische Chemiedreieck zu den Spitzenreitern in Bayern. „Die Transformation hin zur Klimaneutralität wird im ChemDelta bereits in zahlreichen Projekten umgesetzt. Die dafür notwendigen Maßnahmen ziehen einen steigenden Strombedarf nach sich. Hinzu kommen große Mengen an grünem Wasserstoff, der künftig einen Teil der wegbrechenden fossilen Energiestoffe ersetzen soll“, betont die Initiative ChemDelta Bavaria auf ihrem Online-Auftritt.

ChemDelta-Strombedarf steigt bis 2030 um über 50 Prozent
Mit welchen Energieströmen und -mengen künftig zu rechnen ist, zeigte Anfang Oktober 2022 eine auf der ChemDelta-Website veröffentlichte unabhängige Studie, die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und durch die Wacker Chemie AG, Bayernwerk AG, bayernets GmbH und Tyczka GmbH unterstützt wird. Die Stromzufuhr wird sich den Analysen von ChemDelta Bavaria zufolge „allein bis zum Jahr 2030 um mehr als 50 Prozent auf über sechs Terawattstunden pro Jahr erhöhen und auch danach weiter ansteigen“. Der Grund dafür sei: „Der im selben Zeitraum stark zurückgehende Bezug von Erdgas – bis dato der Hauptenergiezufluss im Chemiedreieck – muss ersetzt werden und erfordert eine immer stärkere Elektrifizierung, beispielsweise durch den vermehrten Einsatz von Wärmepumpen zur Erzeugung des zwingend erforderlichen Prozessdampfes.“

Chemieindustrie sieht Staat und Kommunen „federführend“
Aus diesen Ergebnissen leitet die Initiative ChemDelta Bavaria notwendige infrastrukturelle Rahmenbedingungen ab, die von politischer Seite geschaffen werden müssten. Damit sieht die Industrie im Chemiedreieck die Federführung bei einem groß dimensionierten Windkraft-Park eindeutig in den Händen der staatlichen und kommunalen Akteure: „Die Federführung liegt bei den Bayerischen Staatsforsten in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Altötting und den Anrainer-Kommunen“, so ein aktuelles Statement von ChemDelta Bavaria gegenüber den Medien. Die Chemieindustrie würde aber – vorausgesetzt die noch ausstehenden Untersuchungen für eine Wirtschaftlichkeit des Windpark-Projekts würden ein positives Resultat erzielen – für finanzielle Absicherung im Form langfristiger Stromabnahme-Zusagen sorgen.   

Haupthindernis: Schlechtere Windbedingungen in Süddeutschland
Eines der Haupthindernisse beim Ausbau der Windenergie in Süddeutschland im Vergleich zu anderen Standorten sind laut Staatsregierung „nach wie vor die schlechteren Windbedingungen, so dass Windenergieprojekte in Bayern oftmals nicht wirtschaftlich umsetzbar sind“. Ein Lösungsansatz habe in der Einführung der sogenannten Südquote in den Ausschreibungen bestanden, die der Bund jedoch nicht weiterverfolgt und stattdessen auf andere Maßnahmen gesetzt habe, die aus Sicht der Staatsregierung jedoch nicht ausreichend seien, um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit von Windprojekten in Süddeutschland herzustellen. Vor diesem Hintergrund hat der Ministerrat eine Bundesratsentschließung zur Stärkung der Wirtschaftlichkeit von Windenergieprojekten in Süddeutschland beschlossen.

Landrat Schneider: Erste Schritte ab Anfang 2023 möglich
Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger gesteht ein, dass der vorgesehene Standort derzeit noch ein „Wind-Ausschlussgebiet“ ist, was er aber „mit hoher Priorität“ ändern wolle „um daraus ein Vorzeigeprojekt“ entstehen zu lassen. Altöttings Landrat Erwin Schneider berichtet von dem gemeinsamen Willen aller Akteure vor Ort, das Projekt mit dem Titel „Rückenwind“ mit aller Kraft anzuschieben. Aktuell werde von den Bayerischen Staatsforsten ein so genanntes Auswahlverfahren ausgearbeitet. Ziel sei es dabei, möglichst zeitnah eine Projektentwicklungsfirma zu finden, die zuerst die erforderlichen Windmessungen vornehme, Artenschutzgutachten erstelle und dann die Gründung einer Projektgesellschaft zur lokalen Energieerzeugung mittels Windenergieanlagen initiiere. Der Landrat rechnet damit, dass das Auswahlverfahren im Januar oder Februar 2023 beginnen könne.

Burgkirchens Bürgermeister Krichenbaumer skeptisch
Johann Krichenbaumer, der Bürgermeister der Industriegemeinde Burgkirchen, in der sich mit dem Chemiepark Gendorf der zweitgrößte Chemiestandort des Bayerischen Chemiedreiecks befindet, bremste im Rahmen einer Gemeinderatssitzung zu große Euphorie bezüglich einer Realisierung des Windparks im Staatsforst: So sei der Landkreis Altötting nicht unbedingt für sehr viel Wind bekannt, wie das auch durch den Windatlas Bayern bestätigt würde. Die notwendigen Windmessungen würden zudem mindestens ein Jahr lang durchzuführen sein, um Wirtschaftlichkeit und Rentabilität zu sehen. Krichenbaumer informierte auch über die Kosten des gigantischen Windparks: Je Windrad (mit einer Leistung von sechs Megawatt) könne man mit Kosten in Höhe von sechs Mio. Euro rechnen. Würden tatsächlich 40 Exemplare errichtet, wären das in Summe 240 Mio. Euro. Er gab daher zu bedenken: "So viel Geld wird niemand in die Hand nehmen ohne einen absehbaren wirtschaftlichen Ertrag!" Und auch die enorme Höhe jedes Windrads mit je rund 200 Meter wäre  - noch dazu abgesehen vom großen Eingriff in den 5.000 Hektar großen Staatsforst - ein beachtlicher Eingriff in die Landschaft. Zum Vergleich führte der Burgkirchner Bürgermeister den weithin sichtbaren, aber einsam stehenden 188 Meter hohen Kamin des Chemieparks Gendorf an.

Von: http://www.burghausen.com

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Ob das riesige Areal des Staatsforstes, der an die Industriebetriebe bei Burghausen anschließt, sich überhaupt als Standort für einen 40 Windräder großen Winenergiepark eignet, muss erst untersucht werden. Eines der Haupthindernisse beim Ausbau der Windenergie in Süddeutschland im Vergleich zu anderen Standorten sind laut Staatsregierung „nach wie vor die schlechteren Windbedingungen, so dass Windenergieprojekte in Bayern oftmals nicht wirtschaftlich umsetzbar sind“. (Foto: Wacker Chemie AG)

Die enorme Höhe jedes von möglichen 40 Windrädern mit je rund 200 Metern wäre ein beachtlicher Eingriff in die Landschaft des Landkreises Altötting. Zum Vergleich der weithin sichtbare, aber einsam stehende 188 Meter hohe Kamin des Chemieparks Gendorf in Burgkirchen. (Foto: Gendorf)