Regionalkongress Bahnausbau: Neue Finanzierungsmöglichkeiten

(08.11.2012)

Bauindustrieverband (BBIV) und Akademie Ländlicher Raum diskutierten neue Wege der Bahnausbau-Finanzierung ins Bayerische Chemiedreieck - Burghausen. In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Bauindustrieverband (BBIV) und derAkademie Ländlicher Raum lud die Planungsregion 18 Südostoberbayern zum Regionalkongress nach Burghausen. Thema war die schon jahrzehntelange unzureichende Anbindung an internationale Verkehrströme, die die ortsansässige Industrie vor immense Probleme stellt. Größtes Hindernis für den Ausbau ist, dass vom Bund nicht genügend Mittel bereitgestellt werden und dass obwohl die Zugverbindung München-Mühldorf-Salzburg, mit der Abzweigung Tüßling-Burghausen, die sogenannte ABS 38, schon lange höchste Priorität besitzt. Dankbar für den Vorstoß des Bauindustrieverbands, dass auch andere Finanzierungsmöglichkeiten diskutiert werden, zeigte sich Burghausens 1. Bürgermeister Hans Steindl (SPD). Für ihn hat sich die bisherige Finanzierungsform überlebt, deshalb sei ein Umsteuern und Umdenken nötig. In diesem Zusammenhang zeigte sich Steindl realistisch. Man müsse ehrlich gegenüber sich selbst sein und erkennen, dass bei der Fülle der Schienenprojekte – unter anderem 2. Stammstrecke in München oder der Brenner Basistunnel – nicht alle Vorhaben finanzierbar sind. In diesem Zusammenhang befürchtet er deshalb: „Dann sind wir halt die, die bei den offiziellen Gesprächen hintangestellt werden“ und weiter auf den Ausbau warten müssen. ÖPP-B-Modell Prof. Thomas Bauer, Präsident des BBIV, rief dazu auf, endlich neue Wege in der Finanzierung einzuschlagen und lieferte mit der Präsentation des ÖPP-B-Modells einen Lösungsansatz. In diesem Modell werden die guten Erfahrungen, die bereits mit dem Ausbau der Autobahn A8 von München bis Ulm gemacht wurden (ÖPP-A-Modell) auf den Schienenweg übertragen. „Dieses Konzept nutzt privates Anlagekapital für den Ausbau der Schieneninfrastruktur, erbringt durch die Ideen und die Kreativität der Privatwirtschaft in der Regel bessere Lösungen und verschafft der Region Südostbayern eine für ihren Wohlstand und ihr Wachstum dringend benötigte moderne Schieneninfrastruktur“, so Bauer. Die anwesenden Vertreter aus Politik und Wirtschaft zeigten sich diesem Vorschlag gegenüber aufgeschlossen. Schienennetz ausbauen Die Unternehmen im Chemie-Dreieck im Südosten Bayerns sorgen für hoch qualifizierte Arbeitsplätze, die die Menschen in der Region halten. Erwin Schneider, Landrat des Landkreises Altötting, erläuterte, dass für die Ansiedlung der Wacker-Chemie und der Aluminium- Werke in Töging die Wasserkraft ausschlaggebend gewesen sei. OMV kam durch die Ölpipeline und nicht zuletzt musste durch den Bau der Bahn in Altötting eine größere Kirche gebaut werden, um dem wachsenden Strom der Pilger gerecht zu werden. Infrastrukturmaßnahmen haben also immer Folgen. Wenn es diese Maßnahmen nicht gegeben hätte, so könnte das Chemie-Dreieck heute nicht in der Weltklasse mitspielen. Schneider forderte, dass man jetzt nicht stehen bleiben dürfe: „Das Schienennetz der Region muss jetzt schnellstens ausgebaut werden.“ Im Herzen Europas Der Landrat des Landkreises Traunstein und Vorsitzende des Regionalen Planungsverbands Südostoberbayern, Hermann Steinmaßl, betonte, dass diese Region im ländlichen Raum Bayerns die meisten Arbeitsplätze bietet. Und damit das so bleibt, werden nachhaltig entsprechende Rahmenbedingungen benötigt. Die Region ist vom Ende der Welt in das Herz Europas gerückt. Nach der Wiedervereinigung wurden wichtige Infrastrukturprojekte zugunsten deutsch-deutscher Projekte auf Eis gelegt und so war man – infrastrukturell gesehen – auf die EU-Osterweiterung nicht vorbereitet. Die alten Nord-Süd Achsen haben längst ausgedient und die vorhandenen Ost-West Verbindungen werden den wachsenden Verkehrsströmen schon lange nicht mehr gerecht. Bahnprojekte ausbauen „Wir brauchen Entwicklungsachsen. Für die Region ist der schnelle Anschluss an den Flughafen sowohl über die Straße als auch über die Schiene dringend notwendig. Im Sinne der Menschen in unserer Region und als Zeichen zum gemeinsamen Europa fordern wir einen dringenden Ausbau der Projekte der Bahn“, plädierte Steinmaßl für die schnelle Lückenschließung der Europamagistrale Paris-Bratislava. „Deutschland darf nicht der Letzte sein, der die Magistrale vollendet.“ Momentan stellt dieser Abschnitt den größten Lückenschluss auf der 1.300 Kilometer langen Strecke dar. Industrielle Entwicklung ausgebremst durch infrastrukturelle Defizite Seit 27 Jahren wird nun schon diskutiert, dass eine Bahnstrecke, die in weiten Teilen noch auf dem Stand von 1897 ist, endlich zweigleisig ausgebaut und durchgehend elektrifiziert werden soll. Wie schwierig die Situation ist, darauf machte Dr. Willi Kleine, Sprecher der Initiative ChemDelta Bavaria, aufmerksam. Im Chemie- Dreieck werden über 8 Milliarden Euro Umsatz jährlich gemacht, das entspricht 6 % des Umsatzes der Deutschen Chemischen Industrie. Von den bundesweit im Jahr 2011 auf der Schiene transportierten 375 Millionen Tonnen wurde fast 1 % auf der eingleisigen und nicht durchgehend elektrifizierten Strecke im Chemiedreieck befördert. Noch 2006 gab es täglich 12 Züge; 2015 wird man bei 40 Zügen täglich angelangt sein. Kleine verspricht sich vom Streckenausbau eine erhebliche Reduzierung der Kosten und der Lieferzeiten. Außerdem sprach er von einer Erhöhung der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer, denn Gefahrstoffe gehören nicht auf die Straße. Die Situation auf der Straße, die den schlechten Transportbedingungen auf der Schiene in nichts nachsteht, wäre deutlich entspannt, könnte man viel Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern. „Die Verkehrsinfrastruktur darf die industrielle Entwicklung des Chemiedreiecks nicht bremsen. Die Bahnverbindung München– Burghausen muss schnell zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert werden“, so Kleine. Anbindung an den Münchner Flughafen Einen weiteren wichtigen Faktor brachte Dr. Michael Kerkloh, Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen München GmbH, mit in die von Prof. Holger Magel, Präsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum, geleitete Podiumsdiskussion ein: die schlechte Anbindung an den Münchner Flughafen: „Wir sind ein Weltflughafen, aber nur Kreisklasse in der Anbindung und wir brauchen die Infrastruktur nach Osten.“ Nicht nur für die Nutzer des Flughafens ist eine gute Erreichbarkeit notwendig, sondern der Flughafen braucht Arbeitskräfte aus der Region. Durch den Bau der Walpertskirchner Spange könnten auch Berufspendler aus Südostbayern den Flughafen besser erreichen. Kerkloh kündigte an, man wäre bereit sich an einer Verbesserung der Schieneninfrastruktur zum Flughafen zu beteiligen. In diesem Zuge wäre aber auch zu überlegen, ob das Geld, das der Flughafen München nun aufgrund der gescheiterten Pläne um eine dritte Start- und Landebahn zurückgegeben hat, zur Gänze für eine zweite Stammstrecke zu verwenden sei, so Kerkloh. Rolle der Deutschen Bahn In einer schwierigen Situation steckt die Bahn in dieser Angelegenheit. Klaus-Dieter Josel, Konzernbevollmächtigter der DB AG für Bayern, merkte an, es fehle trotz positivem Kosten-Nutzen- Faktor an Geld und Investitionen fallen nun mal nicht in den Aufgabenbereich der Bahn sondern sind – und das ist politisch seit der Bahnreform 1994 ausdrücklich so gewünscht – vom Bund zu entscheiden. Josel verwahrte sich nicht gegen neue Wege in der Finanzierung. Solange derjenige, der baut auch langfristig betreibt, bliebe die Qualität gesichert, so Josel. Lebensader Bayerns Auch MdL Markus Blume, Vorsitzender der CSU-Wirtschaftskommission, sieht die ABS 38 als eine Lebensader Bayerns, an der europäische Verkehrsströme abgewickelt werden. Allerdings führen seiner Meinung nach auch ÖPPModelle nicht an einer Aufstockung des Verkehrsetats vorbei. Deutlich wird das daran, dass alleine die Deutsche Bahn einen Investitionsbedarf von 30 Milliarden Euro hat. Der gesamte Verkehrshaushalt beträgt nur 10 Milliarden Euro insgesamt. BBIV als Katalysator Der BBIV mahnte die Politik, denn der Bund erfülle mit seiner Investitionsquote von nur 12 % bei weitem nicht sein Nachhaltigkeitsgebot. Gerhard Hess, Hauptgeschäftsführer des BBIV, sieht den Verband als Katalysator, der Defizite in den Strukturen aufzeigt. Die politische Meinung aus der Region muss spürbar werden. Und das wird sie, wenn man Günther Knoblauch, Bürgermeister der Stadt Mühldorf am Inn, reden hört. Der Bahnausbau scheitere nicht am Lärm, so Knoblauch, die Menschen vor Ort hätten endlose Ankündigungen satt und es müsse noch heute nach Lösungen gesucht werden. Auch für ihn ist ÖPP ein Ansatz und auch die Strecke bietet sich an, da viele Güter transportiert werden: „Es ist eine Katastrophe, dass zwei starke Wirtschaftsregionen, nämlich der Flughafen und das Chemie- Dreieck, so schlecht angebunden sind.“ Weitere Informationen, Dokumente, Konzepte und Prässentationsfolien auf der Internetseite des Bauindustrieverbandes

Von: WiföG

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Hans Steindl, 1. Bürgermeister der Stadt Burghausen, sprach von einer Unterfinanzierung des Bundesverkehrsetats und mahnte an, dass die Strecke München-Mühldorf Freilassing hintenanstehe. Nötig sei daher ein Umsteuern, Umdenken sowie das Aufbrechen alter Strukturen.

Rege Podiumsdiskussion mit hochkarätiger Besetzung im Bürgerhaus Burghausen. (Fotos: Bauindustrieverband)

Dr. Willi Kleine, Sprecher der Initiative ChemDelta Bavaria: „Die Verkehrsinfrastruktur darf die industrielle Entwicklung des Chemiedreiecks nicht bremsen. Die Bahnverbindung München – Burghausen muss schnell zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert werden“.