„Das schwächste Glied der Kette“

(17.04.2011)

„Magistrale für Europa“: Zwischen Paris und Bratislava ist München-Mühldorf-Freilassing die gravierendste Lücke Mühldorf/Burghausen. Grenzen überwinden − Wirtschaft fördern! Mit diesem Schlagwort ist die Hauptversammlung der Initiative „Magistrale für Europa“ überschrieben, die gestern im Mühldorfer Stadtsaal begann und am heutigen Dienstag ab 9 Uhr im Bürgerzentrum Burghausen ihre Fortsetzung findet. Und was die beste Wirtschaftsförderung ist, darin waren sich alle Redner am Montag einig: der schnelle zweigleisige Ausbau der Bahnstrecke München-Mühldorf-Freilassing und deren Elektrifizierung. Diese Schienenstrecke ist Teil der über 1300 Kilometer langen europäischen West-Ost-Verbindung Paris-Stuttgart-München-Mühldorf-Salzburg-Wien-Bratislava, die von der Europäischen Union als vorrangiges Vorhaben eingestuft und deren Bau finanziell unterstützt wird. Koordinator für diese Magistrale − im EU-Jargon TEN 17 − ist der frühere ungarische Außenminister Péter Balázs. Er sagte gestern vor über 100 Vertretern der Mitgliedskommunen aus Frankreich, Österreich und Deutschland sowie Politikern und hohen Beamten aller politischen Ebenen von den Gemeinden bis zur EU, er gehe mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, „dass die Achse bis 2020 weitgehend fertiggestellt werden kann“. Die EU gebe bis 2015 690 Millionen Euro, um die Realisierung voranzutreiben. Ende 2010 seien 43 Prozent der Strecke fertiggestellt gewesen, entlang von 560 Kilometern (44 Prozent) liefen Bauarbeiten. Einzig in Südostoberbayern gehe zu wenig voran − was sowohl den Ausbau der Strecke München-Mühldorf-Freilassing betrifft als auch die Anbindung der Region an den Flughafen München über die Walpertskirchener Spange. Ziel der EU-Verkehrspolitik sei nämlich auch die Steigerung der Intermodalität, also der Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger, sagte Balázs. Die deutsche Politik sei gefordert, hier schnell zu planen und verkehrswirksame Tatsachen zu schaffen. „Da eine Kette nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied, ist ein zügiger Ausbau des Streckenabschnitts Freilassing-München von großer Bedeutung“, schrieb Herbert Kasser, Generalsekretär des östrerreichischen Verkehrsministeriums, den Deutschen ins Stammbuch. Er nannte auch konkrete Zahlen: In seinem Land würden bis 2016 11,5 Milliarden Euro in die Bahninfrastruktur investiert − der Großteil davon in TEN-Netze. Kasser appellierte, erst wenn der Bahnausbau geschafft sei, könne der Wirtschafts-Großraum zwischen München und Salzburg alle Trümpfe ausspielen. „Der Erfolg des Bayerischen Chemiedreiecks wird ausgebremst“, sagte Rudolf Staudigl, Vorstandsvorsitzender der Wacker Chemie. Die Industrie habe Milliarden investiert, doch aufgrund der ungenügenden Verkehrsanbindung seien die Rohstoffzulieferung und der Produktabtransport gefährdet. Die Art und Weise, wie die Region seit 25 Jahren behandelt werde, sei „verantwortungslos“ und führe dazu, dass eigentlich standorttreue Unternehmen darüber nachdächten, ihre Produktionsstätten zu verlagern. Er, Staudigl, erachte die Idee der Magistrale als „großartig“ − jedoch habe er Bedenken bei den Realisierungszeiten, wie etwa Altmühldorf-Ampfing zeige: „Vier Jahre für acht Kilometer.“ Um schneller voranzukommen, müssten auch alternative Finanzierungskonzepte überlegt werden, beispielsweise durch die Bauindustrie: „Wir müssen jetzt etwas tun.“ Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil gab zu, die Bahnanbindung Südostbayerns sei „nicht so leistungsfähig, wie sie gehört“. Es müssten schnelle Verbesserungen geschaffen werden, damit die Wirtschaft ihre Stärken voll ausschöpfen könne. In diesem Bestreben sei die Magistralen-Initiative ein „außerordentlich wichtiger Verbündeter“. Auch Zeil erkannte, dass der Ausbau der Bahnstrecke aus standortpolitischen Gründen überfällig sei. Und man sei auf dem richtigen Weg: Ampfing-Altmühldorf sei zweigleisig ausgebaut, für Altmühldorf-Tüßling laufe das Planfeststellungsverfahren. Von mehreren Seiten wurde betont, dass dieses bis spätestens Anfang 2013 abgeschlossen sei und dass bis Ende 2015 auch hier zwei Gleise zur Verfügung stünden. Zeil betonte, dass die 2. S-Bahn-Stammstrecke nicht in Konkurrenz zu diesem Projekt stehe und forderte, dass der Bund unverzüglich ein Planungskostenbudget einrichten müsse, damit der Abschnitt Markt Schwaben-Ampfing schnell in die Vorplanung komme. Auch für alternative Finanzierungsmethoden zeigte er sich aufgeschlossen. Da Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer wegen eines Todesfalls in seiner Familie − seine Mutter war in der Nacht zum Samstag gestorben − abgesagt hatte, beleuchtete MdB Stephan Mayer die Bahnpolitik aus Bundessicht. Er zeigte sich überzeugt, dass die Bedeutung desAusbauprojektes für die Wirtschaftsregion Inn-Salzach in Berlin erkannt worden sei. Auch Mayer sprach sich für die Einrichtung eines Planungskostenbudgets aus: „Wir haben wenig Verständnis, dass die Planungen so lange dauern“, sagte er an die Bahnvertreter gerichtet. Darüber hinaus müsse der Verkehrsetat viel besser ausgestattet werden. Das Chemiedreieck sei eine Impulsregion, der es zustehe, dass sie Druck mache für ihre Interessen. Er sei dankbar für diese „konstruktive Ungeduld“. Eröffnet hatte die Hauptversammlung Magistralen-Vorsitzender Heinz Fenrich, Oberbürgermeister von Karlsruhe, der sagte: „Uns eint ein Ziel: Wir wollen den raschen Ausbau der gesamten Magistrale.“ Es gehe um die Vernetzung der Wirtschaftsstandorte. Dass der Raum Inn-Salzach zu den stärksten gehöre, machte Mühldorfs Bürgermeister Günther Knoblauch deutlich. Landrat Georg Huber forderte vehement den schnellen Anschluss der Region an den Flughafen. Bei einer abschließenden Diskussion unter Leitung von BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb wurden die Aussagen des Tages noch einmal zusammengefasst. Am Nachmittag dann besuchten die Teilnehmer der Hauptversammlung die Standortunternehmen Wacker Chemie und OMV.

Von: http://www.pnp.de/region_und_lokal/landkreis_altoetting/burghausen/

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"Uns eint ein Ziel: Wir wollen den raschen Ausbau der gesamten Magistrale“, sagte Heinz Fenrich, Vorsitzender der Initiative, bei seiner Begrüßung. Gäste waren auch (1. Reihe, v.l.) die Landräte Georg Huber und Erwin Schneider, Bürgermeister Günther Knoblauch und der bayerische Bahnchef Klaus-Dieter Josel. Foto: Willmerdinger/PNP