Wasserstoff „Reallabor Burghausen – ChemDelta Bavaria“: Bereit zum Start

(20.07.2021)

Antrag für über 20 Mio. Euro Bezuschussung vom Bund – Handlungszwang und Chancenfülle für das Bayerische Chemiedreieck

Burghausen. Die Vorstellung der gemeinnützigen GmbH „Reallabor Burghausen – ChemDelta Bavaria“ stand am Freitag, 16. Juli 2021, im Mittelpunkt einer Pressekonferenz am Campus Burghausen: Mit dem Reallabor sollen neue Technologien entwickelt und marktfähig werden, um Wasserstoff (H²) als Energieträger in der chemischen Industrie, aber auch auf breiter Basis in Logistik und weiterer Wirtschaft zu nutzen und Kohlendioxid (CO²) einzusparen. Der Förderantrag wird bis Mitte August eingereicht beim Bundesministerium für Bildung und Forschung, auf die Projektgenehmigung hofft man im Herbst 2021.

Der aktuelle Stand des groß angelegten Projekt zusammengefasst: Die Struktur der gemeinnützigen Gesellschaft steht, Arbeitsbereiche und Projekte sind definiert und vorbereitet – und auch die Chancen auf Bezuschussung durch den Bund sind ebenfalls günstig. Die Rahmenbedingungen und den Projektverlauf des „Reallabors“ präsentierten die beiden Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH, Dr. Dieter Gilles und Anton Steinberger (auch Geschäftsführer RegioInvest Inn-Salzach GmbH und Wirtschaftsförderungsgesellschaft Burghausen mbH / WiföG).

Hintergrund: Rahmenbedingungen des Reallabors
Ambitionierte Klimaziele der EU und der Bundespolitik stellen hohe technologische Herausforderungen für die chemische Industrie, an deren Herstellungsprozesse und Produkte, aber auch an die Energieversorgung. „Reallabor“ ist ein Förderprogramm des Bundes und verspricht die Chance, eine klimaneutrale Transformation der chemischen Industrie in eine zukünftige H²-Wirtschaft unter realen Bedingungen zu erforschen, um Grundlagen für notwendige Investitionen zur Erreichung der Klimaziele zu schaffen. Diese Situation zwinge nicht nur zum Handeln, sondern biete auch eine Fülle neuer Chancen, präzisierte Dr. Dieter Gilles, Physiker und 2012 bis 2020 Werkleiter der Wacker Chemie AG am weltweit größten Konzern-Standort von Wacker in Burghausen.

Bündelung von Knowhow in chemischen Prozessen und Technologie
Den bisherigen Projektverlauf skizzierte Anton Steinberger mit dem Auftakt im regionalen Wasserstoffgipfel im Januar 2020, zu dem MdL Dr. Martin Huber ins Landratsamt Altötting geladen hatte, über die Kooperation mit der Initiative „H² Süd“, Gespräche mit TU München und TH Rosenheim sowie dem Projektträger Jülich, Besprechungen mit den Wirtschaftsministerien in München und Berlin und letztendlich Gründung der gemeinnützigen GmbH am 29. Juni.

Gesellschafter der gGmbH sind die Wacker Chemie, Linde, InfraServ Gendorf, Vinnolit, Landkreis Altötting und Stadt Burghausen. Das Stammkapital beträgt 200.000 Euro. Gespräche laufen mit weiteren Unternehmen wie OMV, Clariant und Dyneon. Insgesamt bündeln die beteiligten Unternehmen, auch aus dem technischen Mittelstand der Region, ein enormes Knowhow in chemischen Prozessen und zugehöriger Technologie. Aktuell werden die Arbeitspakete für den Förderantrag und die Projekte erarbeitet. Bis zum 15. August soll der Antrag eingereicht werden. Die Projektgenehmigung wird im Herbst 2021 erwartet.

3 Wasserstoff-Projekte: Energieträger, Logistik, Versorgung
In Vorbereitung sind drei Projektgruppen, die von der Reallabor gGmbH, von der Initiative „H² Süd“ und dem Kreis Altötting eingereicht werden. Die Inhalte präsentierte kurz Dr. Dieter Gilles: Im ersten Projekt geht es um die Umstellung der chemischen Wertschöpfung durch Nutzung von Wasserstoff als Energieträger und den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft. Antragssumme: 20,4 Mio. Euro. Ein zweites Projekt zielt auf den Aufbau einer bedarfsgerechten Logistik für Wasserstoff über Schiene und Straße am Kombiterminal Burghausen. Wasserstoff betriebene Loks sollen beschafft werden, dazu geeignete Druck-Container zum Transport und mittelfristig ist der Bau einer Pipeline von Burghausen nach Gendorf vorgesehen. Antragssumme: 29,8 Mio. Euro. Das dritte Projekt konzentriert sich auf den Aufbau einer eigenen dezentralen Wasserstoffversorgung in der Region Burghausen/Chemiedreieck, den Aufbau einer Tankstellen-Infrastruktur sowie auf Vernetzung mit anderen H²-Regionen in Bayern. Antragssumme: 400000 Euro. Zu diesen Projekten gesellt sich noch das RHYME-Projekt der Wacker Chemie zur Herstellung von „grünem Wasserstoff “ und erneuerbarem Methanol in Burghausen, das zur Förderung bei der EU eingereicht ist. Volumen: 100 Mio. Euro.

„Erhalt des sozialen Wohlstands im Chemiedreieck und seinem Umfeld“
Unbestritten blieben in der Präsentation und Diskussion zum Einstieg in die Wasserstofftechnologie die aktuellen Defizite in der Versorgungsinfrastruktur mit elektrischer Energie. Hier herrsche Aufhol- und dringender Handlungsbedarf, bestätigten auch die Politiker. Bundesinnen-Staatssekretär Stephan Mayer gab sich aber überzeugt, dass ein Industriestrompreis in Deutschland unter 4 Cent pro Kilowattstunde realistisch und machbar sei.

Ein Vorteil für die Region, das bestätige Landrat Erwin Schneider, sei das Bekenntnis zur Industrie und ihrer Rolle als Wohlstands-Garant seit über 100 Jahren. Das sorge im Vorfeld der zu bauenden 380-kV-Leitung für grundsätzliche Zustimmung. Diskutiert und verhandelt werde über Verlaufsvarianten.

Alle Teilnehmer am Podium bestätigten den Konsens: „Unsere politische Verantwortung liegt in der Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie sowie im Erhalt des sozialen Wohlstands im Bayerischen Chemiedreieck und seinem Umfeld.“

MdB Mayer: „Förderungschancen günstig“
Die Chancen auf eine Aufnahme des Reallabors Burghausen in die Förderung durch den Bund seien äußerst günstig, berichtete Stephan Mayer. Auch die Wettbewerbssituation zu ähnlichen Initiativen durch die BASF im Raum Ludwigshafen schätzen Insider günstig ein. Auch im Wettbewerb zu Bestrebungen in Hamburg, im Großraum der Hansestadt, energie-, sprich stromintensive, Industrie anzusiedeln, anstatt den Strom aus den Windkraftanlagen in den Süden zu schicken, schätzt Mayer die Position des bayerischen Chemiedreiecks günstig ein. Es handelt sich dabei um den drittgrößten Chemiestandort in Deutschland und den größten in Bayern. Investitionen in neue Technologien seien hier für die Industrie und damit auch für die damit verbundenen Dienstleister aus dem Mittelstand überlebenswichtig.

Landrat und Bürgermeister betonen Stellenwert des Projekts
So wie die Politiker aus München und Berlin bekannten sich auch Altöttings Landrat Erwin Schneider und Burghausens Bürgermeister Florian Schneider zu den Projekten und den Einstieg in die Wasserstofftechnologie. Landrat Schneider: „Die Transformation ist absolut notwendig, wenn wir als Landkreis Altötting auch noch in 100 Jahren ein wichtiger Industriestandort sein wollen!“ Bürgermeister Schneider: „Es handelt sich um das wichtigste wirtschaftspolitische Projekt dieser und der nächsten Wahlperiode für Burghausen und die ganze Wirtschaftsregion!“

Lehrstuhl für Wasserstofftechnologie am Campus Burghausen
Auch am Campus als Zweigstelle der TH Rosenheim gibt es positive Nachrichten im Kontext mit H²: Hier wird zum 1. Oktober ein Lehrstuhl für Wasserstofftechnologie eingerichtet, der in Zusammenarbeit mit der Universität in Erlangen auch Promotionsrecht haben und fortgeschrittene Forschungsprojekte betreuen wird. Der Lehrbetrieb soll im kommenden Jahr beginnen. „Die Finanzierung kommt von der HighTech-Agenda Bayern“, so MdL Dr. Martin Huber.

Projektinfos „Reallabor Burghausen – ChemDelta Bavaria“

Von: WiföG/mko

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Es geht um Klimaschutz, viele Millionen Euro Fördergelder und die langfristige Zukunft des Wirtschaftsstandorts Bayerisches Chemiedreieck: Verantwortliche aus Kommunal-, Landes- und Bundespolitik sowie der Reallabor gGmbH: (v. re.) Die beiden Reallabor-Geschäftsführer Anton Steinberger und Dr. Dieter Gilles, MdB Stephan Mayer, MdL Dr. Martin Huber, Landrat Erwin Schneider und Burghausens Bürgermeister Florian Schneider. (Foto: KommExpert/Markus Koch)

Die Forschungsprojekte der „Reallabor Burghausen – ChemDelta Bavaria gGmbH“ sollen parallel und vernetzt laufen mit zwei weiteren Forschungsprojekten in Bayern und Süddeutschland und der Wirtschaftsregion Altötting-Burghausen: Dem „H2-LivingLab Süddeutschland“ (Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft inklusive Transportlogistik und Mobilität) sowie dem „HyExpert 2.0“ (Projekt - HyExpert Region „HyAltötting – Energie- und Mobilitätswende in Südostbayern / ChemDelta Bavaria“).

Die beiden Geschäftsführer der „Reallabor Burghausen – ChemDelta Bavaria gGmbH“ Dr. Dieter Gilles (li.) und Anton Steinberger. (Foto: KommExpert/Markus Koch)