Aktuelle Altstadtprojekte: "Junge Kreativität für alte Mauern"

(17.04.2011)

Grüben werden bis Sonntag zur Kunstmeile - Rosenheimer FH-Studenten erarbeiten Gestaltungsvorschläge - Burghausen. Von heute bis Sonntag, sozusagen in der heißen Phase der Jazzwoche, sollen sich die Grüben in eine Kunstmeile verwandeln. Fünf professionelle Künstler haben sich zusammengetan, um in teilweise leer stehenden Räumen in den Grüben 137, 158, 168 und 173 ihre Werke auszustellen. Die Ausstellung soll zugleich Auftaktveranstaltung für künftige Kunstprojekte sein. Die Altstadt bekommt außerdem neue Anregungen für die Architektur der Altstadt − aus den Köpfen junger Fachfrauen. Sie studieren in Rosenheim Innenarchitektur und haben sich für ein Projekt in Burghausen entschieden. In den kommenden drei Monaten werden die 14 Studentinnen von der FH Rosenheim − auch ein Mann ist darunter − mehrmals nach Burghausen kommen und sich vor allem auf die Grüben konzentrieren. Ihre Vorstellungen und Ideen stellen sie dann Anfang Juli der Öffentlichkeit vor. Entstanden ist dieses Projekt durch die Verbindung des städtischen WiFöG-Geschäftsführers Anton Steinberger mit Gabriel Weber. Beide kennen sich seit langem. Weber ist seit Oktober letzten Jahres Professor für Innenarchitektur an der Hochschule Rosenheim. Im Rahmen des Studiums nehmen die Studenten des sechsten Semesters an Projekten teil. Sie wählen unter mehreren Varianten − in Rosenheim sind es sieben − aus. Die Verteilung der Plätze erfolgt dann chancengleich per Computer. Die Kosten für diese Projekte übernehmen zu rund zwei Dritteln Bund und Land. Den Rest bezahlt die Stadt. 20 000 Euro wendet Burghausen dafür auf. Im Gegenzug bekommt die Stadt frische Ideen und neue Denkansätze, was man in den Läden der Grüben besser machen könnte. Der Schwerpunkt liegt dabei auf vier Gebäuden, die Werner Lechner von der Stadtverwaltung in Absprache mit den Eigentümern ausgewählt hat. Da fügte es sich gut, dass Lechner zusammen mit Bauingenieur Norbert Wagner in den letzten Wochen eine Bestandserhebung in den Grüben vorgenommen hat. So hat die Stadtverwaltung nun konkrete Daten über Gebäudezustand und Sanierungsbedarf, Platzangebot und die Pläne der Eigentümer, bezw. über ihre Bereitschaft zu Vermietung oder Verkauf. Bürgermeister Hans Steindl hieß die Gäste aus Rosenheim am Mittwoch im Hotel Post willkommen und stellte ihnen kurz die Überlegungen der Stadt vor, Künstlern, Handwerkern „und auch Studenten wie Euch“ in der Altstadt die Möglichkeit zu Dialog und Kommunikation zu geben. „Leben gestalten“ lautet das Motto des Projekts. Die Studentinnen werden dazu mehrmals einen ganzen Tag in Burghausen verbringen und hier ihre Konzepte erarbeiten. Geplant ist, das in Kleingruppen zu machen. Prof. Weber sieht in dem Projekt zudem eine gute Möglichkeit, der Bevölkerung zu zeigen, dass Innenarchitektur mehr ist als die Auswahl von Farbe und Tapeten − ein Klischee, das dem Beruf leider noch immer anhafte. Räume außen und innen gestalten bis hin zur Wahl von Temperaturen und Düften − es ist eine Vielfalt von Faktoren die bestimmen, wie Räume emotional erlebt werden. Grüben auf dem Weg zur Kunstmeile „Es gibt schon länger Überlegungen, wie man die Grüben mit Kunst beleben kann“, erklärt Initiatorin Sabine Steinberger. Auf Anregung von Bürgermeister Hans Steindl und WiFöG-Geschäftsführer Anton Steinberger hatte sie kurzfristig zur Jazzwoche einige professionelle Künstler gewinnen können, die heute, Freitag, von 19 bis 23 Uhr, morgen, Samstag, von 18 bis 23 Uhr und am Sonntag von 13 bis 17 Uhr ausstellen und persönlich anwesend sind. Weil Malerei und Musik zusammengehören, gibt es zusätzliche musikalische Beiträge. Am Freitag führen Marion Furtner, Burghausen (Harfe, Gesang) und Evelyn Schöfberger, Emmerting (Flöten) irische und südamerikanische Stücke auf. Das Münchner Duo Ines Goldfisch (Gesang) und Heinrich Wulff (Gitarre) umrahmt am Samstag ab 20 Uhr die Kunstausstellungen mit Jazz, Chansons und südamerikanischen Liedern. Stefan Straubinger aus Neuried bietet am Sonntag ab 13 Uhr einen Mix aus Kabarett und modernem Musik-Crossover mit Drehleier, Bandoneon und Gesang. Folgende Maler sind bei den Ausstellungen in den Grüben vertreten: Der Münchner Künstler Rawle Harper, der bei Gustav Rehberger an der Arts Students League in New York Aktzeichnen studierte und 1996 zu den Trägern der Förderpreise der Stadt München gehörte, zeigt großformatige Zeichnungen − „diversions and perversions“. Seine Gabe ist es, „die Welt und das pralle Leben mit wenigen expressiven Strichen zu fassen. Linien verbinden sich, nehmen Gestalt an, verändern sich frei und assoziativ, wie Wolken am Himmel. Alles zulassen, lautet das Motto. Ohne Schere im Kopf entstehen frische Kompositionen, schockierend frei und subversiv.“ Lexan Suess aus München studierte von 1996-2002 an der Akademie der Bildenden Künste in München visuelle Gestaltung. In der Ausstellung werden Fotos zu sehen sein, die 2009 in den Slums von Delhi entstanden sind. Die Fotos zeugen von unbekümmerter Spontanität, Stolz und Lebensfreude trotz schlechter Lebensbedingungen. Die „Zeit-Serie“ des Wasserburger Computergrafikers Thomas Hager entstand aus seiner Diplomarbeit, in der er sich mit dem Thema Heimat auseinandersetzt. Die Bilder beschreiben Gegenstände, die − so Hager − eine Zwischenzeit durchleben. Gebrauchte Hüllen, die zumeist vergessen, ungeachtet oder nutzlos geworden sind, werden neu aufgearbeitet und so zum Überdenken „angerichtet“. Eine Einladung zum Spurenlesen in mehreren Ebenen. Sabine Steinberger präsentiert farbenfrohe, abstrakte Bilder, die mit Acryl, Pigmenten und in Mischtechnik entstanden sind. Die diplomierte Designerin, die in Frankreich Kunst studierte und als Malerin in der Filmdekoration arbeitete, ist seit 15 Jahren als freiberufliche Grafik-Designerin in Burghausen tätig. Sie betreibt seit September 2010 mit Unterstützung der Stadt eine Galerie in den Grüben, in der sie ihre eigenen Bilder ausstellt. Das Thema des Tittmoninger Malers Pete Kilkenny sind die Kühe. Kilkenny will die Kreatur als autonomes Wesen zeigen − mit der ganze Palette von Seelenzuständen, die man Kühen gemeinhin nicht zu-spricht. Und dies gelingt ihm virtuos: Großformatig, flächig aufgelöst und in leuchtenden Farben stehen oder liegen sie da und betrachten den Betrachter − herausfordernd einige, manche forschend und andere mit diesem gewissen philosophisch-selbstgenügsamen Blick. Von den Grüben und ihren ungenutzten Möglichkeiten sind alle Beteiligten begeistert. Deshalb soll nach Vorstellung der Künstler die Ausstellung nur der Anfang für weitere Projekte sein. Thomas Hager, der in Wanghausen ein Atelier betreibt, hat mit Projektarbeit in Wasserburg einschlägige Erfahrung gesammelt. Ausstellungen, Theater und musikalische Darbietungen mit Lichtinstallationen sind seine Zukunftsvisionen.

Von: http://www.pnp.de/region_und_lokal/landkreis_altoetting/burghausen/

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Bei einer Stadtführung gewannen die Studenten aus Rosenheim einen ersten Eindruck von Burghausen. WiFöG-Geschäftsführer Anton Steinberger (rechts) war ihr Gastgeber, Gästeführerin Marianne Richter (2.v.l.) erläuterte Besonderheiten am Stadtplatz wie hier am Löwenbrunnen und dann in den Grüben. (Foto: PNP/Wetzl)

Sie bereichern die Grüben mit Ausstellungen zur Jazzwoche, von links Thomas Hager, Lexan Suess, Rawle Harper, Pete Kilkenny und Sabine Steinberger. (Foto: PNP/Furtner)