Wasserstoff-Initiative für die Region: Experten-Konferenz mit Industrie und Politik

(17.01.2020)

Betankungsmöglichkeit im Bayerischen Chemiedreieck im Visier: Güterverkehrszentrum Burghausen

Altötting/Burghausen. Rund 50 Vertreter aus Politik, Industrie, Gewerbe, Transport, Logistik und der Wirtschaftsförderung Burghausen (WiföG) aus dem Bayerischen Chemiedreieck trafen sich zum regionalen Wasserstoffgipfel im Altöttinger Landratsamt, um Möglichkeiten für eine Zukunft mit emissionsfreier Wasserstofftechnologie zu sondieren. Dabei wurden erste Benchmarks gesetzt, die Ziele definiert, aber auch die Probleme und Herausforderungen erkannt. In einer Projektgruppe soll die Umsetzung von Wasserstofftechnologie und der Aufbau von Infrastruktur in der Wirtschaftsregion Bayerisches Chemiedreieck (ChemDelta Bavaria) nun zügig vorangetrieben werden.

Landtagsabgeordneter Dr. Martin Huber aus Töging und sein Landtagskollege Sandro Kirchner, Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Landesentwicklung im bayerischen Parlament, hatten zum Expertentreffen eingeladen, um das Potenzial der Region im Kontext mit der geplanten Ansiedelung von Wasserstofftechnologie am Bahnhof Mühldorf zu entwickeln und zu nutzen.

Am Bahnhof Mühldorf soll ab 2024 nicht nur eine Wasserstoff-Tankstelle für Züge angeboten werden. Von Mühldorf aus sollen hier Personenzüge im Bereich des Liniensterns fahren, erklärte Florian Liese von der Bayerischen Eisenbahngesellschaft. Ab dem Jahr 2024 werden die Fahrleistungen im Bereich des Liniensterns neu vergeben, deshalb sei dieser Zeitpunkt zum einen fix, aber auch geeignet, um eine neue Technologie zu etablieren.

Jahrzehntelange Wasserstoff-Kompetenz im Chemiedreieck
Kompetenz in der Gewinnung, im Umgang und in der Nutzung von Wasserstoff gibt es in den Unternehmen des Bayerischen Chemiedreiecks seit Jahrzehnten, vor allem bei der OMV Deutschland mit ihrem Raffineriestandort Burghausen, wo Wasserstoff zur Entschwefelung von Treibstoffen genutzt wird. Desgleichen an den Burghauser Standorten des Gase-Spezialisten Linde, aber auch bei Vinnolit, in deren Produktionsprozessen Wasserstoff anfällt, der bislang aber energetisch jeweils vor Ort genutzt wird.

Trotz Aufbruchsstimmung herrschte beim Expertentreffen kein Zweifel an den Herausforderungen und Hürden: Zum einen gibt es Fahrzeuge mit Antrieb auf Basis von Wasserstoff noch sehr selten und sie sind sehr teuer in der Anschaffung. Zum anderen gibt es für die Betankung so gut wie keine Infrastruktur. Zur Verfügung stehen im Prinzip zwei unterschiedliche Antriebssysteme: Motore, in denen Wasserstoff „verbrannt“ wird und die Brennstoffzellentechnologie, in der aus Wasserstoff Strom für einen elektrischen Antrieb gewonnen wird. Diese Technologie ist bereits bei modernen U-Booten in Einsatz.

Die Ansprüche in die Betankung sind nicht ohne. So können zum Beispiel Pkw und Lkw, zumal für den Fernverkehr, bisher nicht mit dem gleichen System betankt werden, weil jeweils ein anderer Druck erforderlich ist.

Neben Betankungsmöglichkeit Mühldorf ist Güterverkehrszentrum Burghausen Favorit
Konkret vorgeschlagen ist nun, dass am Bahnhof Mühldorf, parallel zur Betankungsmöglichkeit für Lokomotiven, auch eine Zufahrtsmöglichkeit zur Betankung von Lkws und Busse geschaffen wird. Zusätzlich zu dieser Betankungsmöglichkeit in Mühldorf soll eine weitere Station im Herzen des Bayerischen Chemiedreiecks geschaffen werden. Als Favorit für diesen Standort kristallisierte sich in der Runde das Güterverkehrszentrum Burghausen mit seinem angeschlossenen Kombiterminal heraus: Der Bereich liegt außerhalb von Wohngebieten, aber doch nahe zur Burghauser Industrie mit ihrer Wasserstoff-Kompetenz. Hier könnten Lokomotiven ebenso wie Lkw im Binnenverkehr des Terminals, aber auch für den Fernverkehr betankt werden. Zudem könnte Wasserstoff per Kesselwagen, aber auch per kurzer Pipeline, angeliefert werden.

Genau in diese Richtung argumentierten Berthold Jesse, Geschäftsführer von DB Schenker, Mathias Gehrigk, Geschäftsführer Greiwing, und Anton Steinberger, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Burghausen. Steinberger brachte das Vorhaben, Einstieg in die Wasserstofftechnologie auf den Punkt: „Wenn nicht bei uns im Chemiedreieck, wo dann?“

Wasserstofftechnologie für OMV „ernstes Thema“
Für den Mineralöl-Konzern OMV ist die Wasserstofftechnologie ein ernstes Thema, bestätigt der Geschäftsführer der OMV Deutschland GmbH, Dr. Gerhard Wagner. Die OMV habe bereits einen Pkw mit Brennstoffzelle in Betrieb, der sich gut bewähre. Zum Aufbau einer Versorgungsinfrastruktur erklärt er, dass daran gedacht sei, Wasserstoff-Tankstellen an vielbefahrenen Autobahn-Transversalen in Europa aufzubauen, die dann von Lkw im Fernverkehr leicht angefahren werden können, um damit den CO²-Ausstoß signifikant zu verringern.

Hier sollte rechtlich und politisch Klarheit geschaffen werden, dass man zum Einstieg und zum Aufbau der Wasserstofftechnologie sogenannten „grauen Wasserstoff“ als emissionsfrei akzeptiere, betonte Jens Waldeck, Geschäftsleiter Zentraleuropa von Linde Gase. „Grauer Wasserstoff“ wird zum Beispiel aus Erdgas, einem fossilen Rohstoff, gewonnen, sogenannter „grüner Wasserstoff“ per Elektrolyse aus Wasser unter Einsatz von elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen. Ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt in Deutschland ausreichend grüner Wasserstoff bereitgestellt werden kann, das sei zurzeit noch offen.

„Grauer Wasserstoff“ als Zwischenlösung
Man will jedoch Verzögerungen vermeiden, in dem Sinn: Man könne mangels ausreichender Stromversorgung aus erneuerbaren und CO²-freien Quellen die Technologie nicht weiter entwickeln. Die Nutzung des „grauen Wasserstoffes“ sollte deshalb als Zwischenlösung akzeptiert werden, um technologische Kompetenz für Großserientechnik und Infrastruktur aufzubauen, die dann auch verkauft werden kann.

Hohe Kosten für Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb
Mit Blick auf die Kosten und Wirtschaftlichkeit der Technologie stellen sich weitere Herausforderungen. Die Wasserstofftechnologie, in welcher Ausprägung auch immer, stehe aktuell im harten Wettbewerb zur Elektro-Mobilität auf Basis von Batterieantrieben, betonte Christian Gruber vom Lkw-Hersteller MAN. Für die Betreiber von Lkw- und Busflotten stellen sich außerdem die Fragen der Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit. Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb sind aktuell kaum verfügbar und kosten ein Vielfaches von herkömmlichen Fahrzeugen. Es dürfe auf keinen Fall passieren, dass Fördermittel zum Ausbau eines dichteren ÖPNV-Netzes, vor allem in den ländlichen Regionen, dann allein durch die Mehrkosten im Wandel der Antriebstechnologie aufgezehrt werden, betonten Heino und Isabella Brodschelm vom gleichnamigen Burghauser Busunternehmen.

Auftrag an die Politik
Auch Stefan Kühn von DB Regio Bus plädierte in die gleiche Richtung. Hier müssten separate Fördertöpfe geschaffen werden, wenn man die Technologie erfolgreich auf den Weg bringen will. Denn Kunden seien am Ende des Tages – trotz aller Bekenntnisse zum Klimaschutz – wohl nicht bereit, die Mehrkosten zu übernehmen. Als Auftrag an die Politik nannte OMV-Geschäftsführer Dr. Wagner ein Modell, die bisherige Mineralsteuer an Kohlendioxid-Emissionen zu knüpfen, denn dann werde derjenige Fahrer belohnt, der CO² im Betrieb der Fahrzeuge einspart.

Von: WiföG/PNP

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Konkret vorgeschlagen wurde beim Expertentreffen, dass zusätzlich zur Wasserstoff-Betankungsmöglichkeit am Bahnhof Mühldorf eine weitere Station im Herzen des Bayerischen Chemiedreiecks geschaffen werden. Als Favorit für diesen Standort kristallisierte sich in der Runde das Güterverkehrszentrum Burghausen mit seinem angeschlossenen Kombiterminal heraus.